Denkanstoß

Wenn nicht bald eine Weiche kommt…

Dekanat Vorderer Odenwald

Margit Binz, Pfarrerin für Ökumene und Interreligiösen Dialog im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald, macht sich Gedanken darüber, wie wir uns im Leben Freiheit und Flexibilität bewahren können.

14.10.2020 sru Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback

Es gibt einen Cartoon, über den ich mich immer wieder amüsieren kann: In einer weiten Landschaft rennen zwei Menschen atemlos die Gleise entlang. Hinter ihnen rollt mit Volldampf ein Zug heran. Da ruft der eine zum anderen: „Wenn nicht bald eine Weiche kommt, dann sind wir verloren!“

Das ist natürlich genauso lächerlich wie tragisch. Lächerlich, weil die beiden nur einen Schritt zur Seite treten müssten, dann wären sie gerettet. Tragisch, weil sie in ihrem Denken und Verhalten so eingefahren sind, dass sie das gar nicht mehr erkennen können.

Das lässt sich doch wunderbar auf das eigene Leben und sogar auf unsere Gesellschaft und ihren Umgang mit manchen Fragen beziehen. Ein kleiner Schritt zur Seite brächte Rettung und Freiheit. Die gesamte Situation sähe völlig anders aus. Aber er ist oft so unendlich weit entfernt.

Solange wir auf die engen Gleise und ein bestimmtes Problem, einen Konflikt, eine Befürchtung fixiert sind, nehmen wir die weite Landschaft mit ihren vielen Möglichkeiten gar nicht mehr wahr. Und da stellt sich die Frage: Was hilft, um sich im Leben Freiheit und Flexibilität zu bewahren?

Ich kenne leider auch kein Allheilmittel. Natürlich, es gibt schöne Ideen und Übungen: Atmen, regelmäßige Pausen einlegen, mal was ganz anderes tun, sich Blödsinn erlauben oder einen Erinnerungsanker setzen, der die Gedanken in eine andere Richtung lenkt. Der berühmte Knoten im Taschentuch, ein Stein oder etwas anderes, das einen erinnert: Ich kann jederzeit ausweichen, einen Schritt zur Seite treten. Ich habe viele Möglichkeiten, weiten Raum. Auch mit jemand anders zu sprechen und sich eine andere Sichtweise zu holen, kann eine Hilfe sein.

Du stellst meine Füße auf weiten Raum, so heißt es im Psalm 31. Und in diesem Raum auch Laufen zu lernen, das ist doch immer wieder eine schöne und überraschende Herausforderung.

Margit Binz, Pfarrerin für Ökumene im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald,
E-Mail: Margit.Binz@ekhn.de